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30. Mai 2023
Der bauliche Brandschutz hat zum Zweck, die Brandausbreitung zu begrenzen und die Selbstrettung sowie die Brandbekämpfung sicherzustellen. Je nach Gebäudehöhe und -nutzung stehen unterschiedliche Wege offen, die Brandschutzbestimmungen zu erfüllen – bei der Materialisierung und der Ausführung. Der Umgang mit dem Brandriegel hat sich unterdessen eingespielt.
Die derzeit gültigen Brandschutzvorschriften für Bauten und Anlagen sind seit dem 1. Januar 2015 in Kraft, 2017 wurden sie teilrevidiert. Sie führten in vielen Bereichen zu teils erheblichen Lockerungen und Vereinfachungen – nicht jedoch im Bereich der verputzten Aussenwärmedämmungen (VAWD), die bei neuen Wohnbauten knapp 70 Prozent, bei neuen Nichtwohnbauten rund 25 Prozent der realisierten Fassaden ausmachen. Je nach Höhe und Nutzung von Gebäuden gelten seither andere Anforderungen an das Brandverhalten von VAWD. Diese Vorschriften sind die Grundlage dafür, dass die Ziele des Brandschutzes erreicht werden.
Für VAWD zentral ist das Schutzziel, das in Artikel 8b der Brandschutznorm 1–15 «Verwendung von Baustoffen» formuliert wird: Bauten und Anlagen müssen so erstellt sein, dass «die Ausbreitung von Flammen, Hitze und Rauch begrenzt wird». «Konkret muss bei Gebäuden mittlerer Höhe verhindert werden, dass sich ein Brand über mehr als zwei Geschosse oberhalb des Brandgeschosses ausbreiten kann, ehe die Feuerwehr eingreift», sagt Beat Neuenschwander, Brandschutzexperte der Gebäudeversicherung Bern (GVB).
Von diesem Schutzziel sind die baulichen Anforderungen abgeleitet worden. Für Kompaktfassaden ergeben sich bei mittlerer Höhe drei Varianten:
«Dämmungen aus nichtbrennbaren Materialien sind sicherlich der einfachste Weg, um die Brandschutzrichtlinien für VAWD unabhängig von der Gebäudehöhe und der Nutzung zu erfüllen», sagt Neuenschwander. Den Löwenanteil machen hier Dämmungen aus Mineralwolle aus. Neben den hervorragenden Brandschutzeigenschaften – sie brennen nicht und haben einen Schmelzpunkt von über 1000 °C – zeichnet solche Dämmungen vor allem ihre Langlebigkeit aus. Sie sind wasserabweisend und alterungsbeständig sowie resistent gegen Verrottung, Ungeziefer- und Pilzbefall. Dies bei einer Wärmeleitfähigkeit von 0,032 bis 0,035 W pro Meter und Kelvin.
Ein Nachteil von Mineralwolldämmungen ist, dass sowohl zur Herstellung als auch zum Recycling viel Energie benötigt wird. Das hohe Eigengewicht wiederum bedingt eine mechanische Befestigung der Dämmplatten. Dennoch: Warum werden Mineralwolldämmungen mit ihren offensichtlichen Qualitäten oder generell Dämmungen der Brandverhaltensgruppe RF1 nicht zum einzig zulässigen VAWD-Brandschutz erklärt? «Damit würden die Brandschutzvorschriften viel zu stark in den Markt eingreifen und Materialien ausschliessen, welche die Schutzziele einwandfrei erfüllen können», sagt Neuenschwander.
Bei Gebäuden mittlerer Höhe sind Dämmungen aus expandiertem Polystrol (EPS), extrudiertem Polystrol (XPS), Polyisocyanurat-Hartschaum (PIR) sowie Polyurethan-Hartschaum (PUR) möglich, jeweils in Kombination mit Brandriegeln. Erbringt ein Brandriegel denn dieselbe Brandschutzleistung wie eine nichtbrennbare Dämmung?
Die verschiedenen Systeme hätten eine unterschiedliche Wirkungsweise, sagt Neuenschwander. «Eine Fassade ohne Brandlast ist natürlich wirksamer als zum Beispiel eine Fassade mit EPS-Dämmung.» EPS-Dämmungen beginnen bei einer Temperatur von 240 °C zu schmelzen. Entscheidend sei aber, dass beide Varianten die Schutzziele erfüllten, die auf die Lebensrettung von Mensch und Tier und nicht auf den Erhalt von Strukturen ausgelegt seien.
Brandriegel wurden im Zug der Revision der Brandschutzvorschriften 2017 eingeführt – und stiessen bei Malern und Gipsern nicht auf allergrösste Beliebtheit. Mit ein Grund ist der nicht unerhebliche Mehraufwand, den der Einbau von Brandriegeln verursacht. Die zu ergreifenden baulichen Massnahmen und die Anforderungen an die zu verwendenden Materialien sind minutiös im Stand-der-Technik-Papier (STP) des EPS-Verbands Schweiz festgehalten. Bei mangelhafter Umsetzung muss der Brandriegel vollständig ersetzt und neu aufgebaut werden.
«Tatsächlich gab es anfangs einige Verunsicherung in der Branche», sagt Peter Bachmann, der Verkaufsleiter VAWD und Haustechnik bei Swisspor, «auf Seiten der Planer ebenso wie bei der Umsetzung auf den Baustellen.» Den nichtbrennbaren Dämmungen, vor allem der Mineralwolle, habe dies sicherlich einen Schub verliehen.
Mittlerweile habe sich der Umgang mit dem Brandriegel eingespielt; in jüngster Vergangenheit sei es vor allem die Preissituation, die Brandriegelvarianten hemme. «Dafür haben Hartschaumdämmungen aufgrund ihres geringen Eigengewichts den Vorteil, dass sie nicht mechanisch befestigt, sondern nur verklebt werden müssen», sagt Bachmann. Mechanisch befestigt werden muss bei diesen Varianten lediglich der Brandriegel selbst.
Und wie steht es um das Problem, dass sich Brandriegel aus STP-konformen Baustoffen mit einem Schmelzpunkt von mindestens 1000 °C, in der Regel Mineralwolle, mit der Zeit an der Fassade abzeichnen können? Dies tut zwar dem Brandschutz keinen Abbruch, der Ästhetik jedoch schon. «Das ist ein Phänomen, das vor allem bei Dünnbett-Fassadenbeschichtungen auftreten kann», sagt Verkaufsleiter Bachmann, der überzeugt ist, dass hier oft am falschen Ort gespart werde.
Alternativ kann auch der sogenannte «CH-PIR-Brandriegel UB 3.2» verbaut werden. Diese VKF-gleichwertige Konstruktion besteht aus einem PIR-Hartschaumstreifen und einer vorderseitig aufgeklebten EPS-Schicht. Brandversuche haben gezeigt, dass so konstruierte Brandriegel ähnlich wirksam sind wie RF1-Brandriegel. Bei einer EPS-Fassadendämmung fügt sich ein solcher Brandriegel nahtlos ein und ermöglicht einen homogenen Schichtaufbau.
Als Alternative zu Brandriegelkonstruktionen erlauben die Bestimmungen den Einsatz von Aussenwandbekleidungssystemen mit von der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen (VKF) anerkannten Systemnachweisen. Ein Blick ins VKF-Register – Hauptgruppe Baustoffe 01, Untergruppe 162 – zeigt jedoch, dass die Auswahlmöglichkeit auf lediglich fünf solcher Konstruktionen beschränkt ist. «Die Prüfungen für die Zulassungen sind umfassend und aufwendig», erklärt Beat Neuenschwander von der GVB. Anerkennungen gelten 5 Jahre, danach können sie bei Bedarf ohne grossen Aufwand verlängert werden.
In der Betrachtung ökologischer Faktoren hatten Stein- und Glaswolle bislang stets die Nase vorn. Schliesslich bestehen sie aus natürlichen Grundstoffen, und sie können im Sinn der Kreislaufwirtschaft theoretisch unendlich rückgebaut, aufbereitet und wiederverwendet werden. In Zukunft werden Hartschaumdämmungen in dieser Hinsicht viel Boden gutmachen – dessen ist sich Bachmann sicher. Swisspor betreibt in Boswil ein Recyclingwerk, dank dem rückgebaute EPS-Fassadendämmungen mit verhältnismässig geringem Energieeinsatz wiederverwendet werden können.
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Text: Erik Brühlmann und Marius Leutenegger