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25. September 2023
Die Pulverbeschichtung ist in der Metallbranche üblich. Eine Beschichtung mit Pulver ist aber auch für Holzwerkstoffe mit Vorteilen gesegnet. So gilt das Verfahren als umweltfreundlich und gesundheitlich unbedenklich. Zudem liefert es langlebige Oberflächen in beliebigen Farbtönen. Hier ein Blick über den Maler-Tellerrand hinaus in das Schreinergewerbe.
Einen Lacklauf habe es noch nie gegeben. Schreinermeister Christian Hinder lacht bei der Frage nach dem wohlvertrauten Ärgernis in der Lackierkabine. Beim Pulverbeschichten gibt es systembedingt keine Läufe und auch sonst ist manches gänzlich anders, als man es vom Beschichten mit flüssigem Lack gewohnt ist.
Noch so ein Kuriosum: «Die Kabine bleibt immer schön sauber», sagt Hinder, Leiter Pulverbeschichtung bei der Fust AG im sanktgallischen Wil. Das Einzige, was über die Zeit in Mitleidenschaft gezogen werde, seien die Aufhängehaken. Daran hängen die Werkstücke auf ihrem Rundlauf durch die Abteilung der Pulverbeschichtung in der Schreinerei.
Um ein Material mit Pulver beschichten zu können, muss dieses eine gewisse elektrische Leitfähigkeit aufweisen. Dies ist neben Metallen auch bei Kunststoffen, Verbundmaterialien sowie bei Holzwerkstoffen möglich. «Man kann auch die Oberfläche einer Spanplatte pulverbeschichten, das gilt aber nur für die Fläche und nicht für die Kante wie bei vielen anderen Holzwerkstoffen auch», weiss Hinder. Das Beschichten mit Pulver beschränkt sich deshalb in aller Regel auf MDF-Platten. Und dabei handelt es sich um modifiziertes MDF mit feineren Fasern, höherer Dichte und einer besseren Leitfähigkeit, die durch einen Zusatz erreicht wird.
Bei der Oberflächenbehandlung von MDF kommt der Bearbeitung der Schmalkanten eine besondere Bedeutung zu. Das ist auch bei der Pulverbeschichtung nicht anders, ganz im Gegenteil. «Das Pulver verzeiht nichts», sagt Hinder und meint damit die Sichtbarkeit von Schleifspuren und Unregelmässigkeiten bei der Kantenbearbeitung.
Auch deshalb ist der spezielle Plattentyp mit dem gleichmässigeren Rohdichteprofil wichtig. Die Kanten müssen sehr sauber geschliffen werden, da nicht gefüllert wird, sondern die Kontur des Trägermaterials übernommen wird. «Dazu gehören leider auch die Kratzer», erklärt Andy Schwery, Geschäftsleiter der Ramseier Woodcoat AG in Thun BE.
Mit den unterschiedlichen Pulvern lassen sich auch unterschiedliche Aufbauten realisieren. In der Regel läuft ein Werkstück zwei Mal durch die Anlage. Beim ersten Auftrag könne es zu geringfügigen Ausgasungen an der Kante des MDF kommen, erklärt Schreinermeister Hinder. Das führe zu kleinen Blasen und einer sich nicht ganz glatt anfühlenden Oberfläche. Nach dieser Grundierung erfolgt deshalb ein Zwischenschliff. Dabei genügt ein Scotch-Vlies.
Die Pulverbeschichtung ist eine dünne Beschichtung. «Mit der elektrischen Ladung wird im Grunde die Schichtstärke definiert. Diese liegt mindestens bei 120 µm, sprich 1,2 Zehntel Millimeter», sagt Hinder. Bei Fust wechselt man die Farbe zwischen den Durchgängen nicht. Die Schichten werden in gleichem Farbton ausgeführt, während sonst oft mit einem weissem Pulver grundiert wird.
So auch bei Woodcoat. «Wir arbeiten immer mit Grundierung zur Versiegelung und dem Decklack in der gewünschten Farbe», sagt Andy Schwery.
Pulverbeschichtungen sind in der Holzbranche noch nicht so lange möglich. Akteure wie Woodcoat oder Fust haben sich ihr Know-how zu einem Teil selbst erarbeiten müssen. Es verwundert also nicht, dass die Erfahrungskataloge viele Gemeinsamkeiten, aber auch eigene Lösungen und Verfahren kennen. Starke Argumente für die Pulverbeschichtung finden sich bei den ökologischen und gesundheitlichen Aspekten. Da das Pulver kein Lösemittel braucht und die Beschichtung in der Kabine erfolgt, gibt es keine gesundheitliche Belastung der Mitarbeitenden.
Pulver, das seinen Weg auf das Werkstück nicht findet, wird fast vollständig gesammelt und lässt sich ohne weitere Verfahren wieder einsetzen. Gesammelt wird das Pulver über einen Zyklon. Dabei werden Staub und Verunreinigungen abgeschieden und das Pulver wieder dem Produktionsablauf zugeführt.
Ein weiterer wichtiger Pluspunkt der Pulverbeschichtung ist die Qualität. «Die gepulverte Oberfläche entspricht einfach unserem Verständnis von einer Top-Schreinerarbeit», sagt Markus Fust, der Inhaber und Geschäftsführer der gleichnamigen Schreinerei. Für ihn stehe der Preis dabei nicht im Vordergrund, denn entgegen viel gehörten Verlautbarungen sei das Pulvern oft nicht günstiger als der flüssige Lack. Es komme vielmehr darauf an, was beschichtet werden soll. Eckige, einfache Bauteile ohne Details liessen sich durchaus mit herkömmlichem Lack wirtschaftlicher beschichten. «Spannend wird es, wenn man ins Material hineinarbeitet, feine Details wie Profilierungen hat. Dann ist das Pulvern wirtschaftlicher», erklärt Serge Eggler, Mitglied der Geschäftsleitung der Fust AG.
Die Pulverbeschichtung erreicht die Anforderungen an Möbeloberflächen spielend. Insbesondere die hohe Kratzfestigkeit, die Anti-Fingerprint-Eigenschaften sowie die samtige Haptik werden oft genannt. Wichtig für Schreinerpartner ist auch die kurze Verarbeitungszeit. Die Teile können nach dem Abkühlen sofort weiterverarbeitet, verpackt und transportiert werden. Während Flüssigkeiten aushärten müssen, bleibt das Pulver im Prozess trocken und muss lediglich erkalten.
Je nach Materialstärke und Farbton braucht es die passende Temperaturkurve im Ofen. Immerhin rund 130 °C herrschen an der Oberfläche beim Einbrennen des Pulvers. Leimfugen sind deshalb schwierig. Werden Teile verleimt, müssen entsprechend hitzeunempfindliche Klebstoffe eingesetzt werden. Eine Dickenverleimung mit sichtbaren Fugen geht dagegen gar nicht. «Die Leimfuge wird sich abzeichnen», weiss Christian Hinder.
Die Pulvertechnologie habe viele Vorteile, aber auch ein paar Eigenheiten, sagt Andy Schwery. «Die Bauteile dürfen nicht zu dünn sein, sonst trocknen sie im Prozess zu stark aus. Die Reststärke solle etwa 7 Millimeter nicht unterschreiten.
5 bis 6 Prozent Holzfeuchte brauchen die Platten, damit sie leitfähig sind. Ist sie zu trocken, leitet die Platte nicht und damit kann die Gegenladung für eine Anziehung der Partikel nicht funktionieren. Ist die Platte zu feucht, kocht quasi das Wasser im Ofen und sprengt am Ende die Beschichtung auf. Deshalb werden die Platten vor der Beschichtung klimatisiert gelagert.
Text und Bilder: Christian Härtel
Autor Christian Härtel ist Fachredaktor der «SchreinerZeitung», in deren Ausgabe 38/2022 dieser
Artikel erschienen ist.