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19. Mai 2023
Dämmstoffe wie Kokosfaser, Hanf, Stroh oder Schafwolle mögen vielen exotisch erscheinen. Angesichts des wachsenden Bedürfnisses, nachhaltig zu bauen, haben sie einen Markt im Innenraum. Für die Aussenwärmedämmung kommen primär Holzfaser und Kork infrage. In Zukunft dürfte aber ein anderes Material an der Fassade eine grosse Rolle spielen.
Die Zukunft des Bauens liegt nach allgemeingültiger Ansicht im nachhaltigen Vorgehen. Im Bereich Dämmung kommen ökologische Materialien innen zum Einsatz. Doch eignen sie sich auch für die Aussenwärmedämmung? Ja, sagt Dieter Baltensperger, der Geschäftsführer und Inhaber von Stroba, doch man müsse unterscheiden zwischen Kompaktfassade und Holzbau-Ständerkonstruktion.
Für zweitere eignen sich alle Materialien, für die Kompaktfassade ist die Auswahl beschränkt auf Kork und Holz-Weichfaser. Aus ökologischer Sicht kämen in gewissem Sinn auch Mineraldämmplatten infrage, sagt Baltensperger. Er erwähnt zudem Dämmputze aus Kalk, die bei Sanierungen auch aussen an der Fassade direkt auf den Mauerstein zum Einsatz kommen.
Ein Vorteil der ökologischen Produkte gegenüber herkömmlichen Dämmmaterialien ist ihre Diffusionsoffenheit. Sie können Feuchtigkeit aufnehmen, speichern und wieder abgeben. Somit sind Fassaden besser gegen Algen und Pilze geschützt. Allerdings setzt die Diffusionsoffenheit auch eine Grenze: Im stark mit Feuchtigkeit belasteten Sockelbereich können natürliche Dämmstoffe nicht eingesetzt werden.
Der zweite Vorteil von Naturbaustoffen und das Hauptargument für diese ist die Nachhaltigkeit. Sie wachsen schnell nach. Ein Vergleich: Erdöl, Mineralstoffe und Silikate, die für Produkte wie EPS, Polyurethane oder Glaswolle verwendet werden, haben einen Entstehungszyklus von 1 bis 50 Millionen Jahren.
Korkeichen hingegen können alle 8 bis 10 Jahre geschält und Schafe alle 6 Monate geschoren werden. Kokosfasern lassen sich alle 45 Tage gewinnen. Erwähnenswert ist zusätzlich, dass die von Stroba verkauften Weichfaserplatten von Gutex aus Schweizer Holz im grenznahen Waldshut (D) produziert werden. So fallen lange Transportwege und somit viel CO2-Ausstoss weg.
Abgebaute Holzfaserplatten werden in die Produktion rückgeführt. «Wenn man den Verputz sauber abtrennt, kann man sogar die Platte als ganze wiederverwenden», hält Baltensperger fest. Die Reziklierbarkeit ist auch ein finanzielles Argument, denn die Entsorgung von konventionellen Stoffen kann teuer sein.
Über den Einsatz der verschiedenen Materialien an der Fassade entscheiden unter anderem deren Dämmeigenschaften und -werte. Polystyrol/EPS/PUR haben bessere Lambda-Werte als Kork und Holz-Weichfaser. Sie leiten also Wärme weniger.
Doch das sei nicht die einzige für die Dämmung wichtige Eigenschaft, sagt Baltensperger. Holz-Weichfaserplatten haben mehr Masse als Polystyrol/EPS und damit einen besseren C-Wert. Das heisst, sie können viel thermische Energie (Wärme) speichern, was in den Sommermonaten dem Hitzeschutz von Gebäuden dient.
Bezüglich weiterer Eigenschaften können die Öko-Dämmstoffe ebenfalls mithalten. Hier einige Kennzahlen einer von Stroba vertriebenen Holz-Putzträgerplatte:
Die entsprechenden Kennzahlen für Korkplatten sind:
Für Planende und Bauherrschaften spielt neben den Produkteigenschaften auch immer der Preis eine Rolle. Baltensperger erklärt, dass Holzfaser und Kork tendenziell teurer seien als EPS oder Steinwolle. Er relativiert dies aber. «Man müsste die Vollkosten für graue Energie, Entsorgung und so weiter einrechnen, um einen wirklichen Vergleich machen zu können.» Diese Rechnung falle zugunsten der Ökomaterialien aus.
Die für den Aussenbereich geeigneten ökologischen Dämmmaterialien sind noch Nischenprodukte, die vor allem in der Denkmalpflege und für historische Sanierungen ihre Bedeutung haben. Beim Kork, mit dem allerdings auch schon Überbauungen realisiert worden sind, wird das so bleiben, denn es können nicht beliebig viele Eichen angepflanzt werden und deren Rinde wächst langsam. Potenzial besteht bei der Weichfaser. «Restholz gibt es mehr als genug», stellt der Stroba-Chef fest, und Gutex baue gerade seine Produktionskapazitäten aus.
Eine grosse Zukunft prophezeit Baltensperger einem anderen ökologischen, nachhaltigen Baustoff. «Ich schwöre auf Hanf.» Die Pflanze wächst in 3 Monaten 4 Meter hoch und lässt sich zwei Mal im Jahr ernten. Das schnelle Nachwachsen sorgt für Versorgungssicherheit. Weitere Eigenschaften von Hanf sind:
Aus der Schäbe (holziger Pflanzenanteil) werden Hanfstein und Hanfbeton hergestellt. Aus den Fasern entstehen Dämmstoffe. «Es wird auch verputzbare Fassadenplatten geben», ist sich Dieter Baltensperger sicher.
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Text: Raphael Briner